Self Publishing und eBook-Piraterie – Teil 2


U.a. in dieser Folge: Eine Übersicht über die jüngsten Erfolge in der Piraterie-Bekämpfung und Kurzinterviews mit zwei Dienstleistern im Bereich Anti Piracy.


2017 war ein eher unerfreuliches Jahr für eBook-Piraten. Im Frühjahr wurde Darkmon überführt und kurz darauf wurde LUL.to von der Staatsanwaltschaft vom Netz genommen. Kurz zur Erklärung: Darkmon war ein fleißiger Uploader, hatte über 12.000 eBooks auf illegale Plattformen hochgeladen, und lul.to verkaufte eBooks für Cent-Beträge – müßig zu erwähnen, dass die Rechteinhaber nicht ihr Einverständnis gegeben hatten. Die Betreiber von lul.to waren außerdem noch im Darknet unterwegs. Doch auch 2018 wurden mehrere Uploader identifiziert und aus dem Verkehr gezogen, ebenso im Laufe dieses Jahres.
Der große Knall kam dann im Herbst 2019. Nach mehrjähriger Ermittlung wurde die File-Sharing-Plattform Share-online von der Kripo Köln vom Netz genommen und nur wenige Wochen danach erwischte es den Uploader Wettex. Der Letztgenannte hatte seit 2008 fast 20.000 E-Books zum illegalen Download verfügbar gemacht, oft waren sie nur wenige Stunden nach Erscheinen auf den einschlägigen Plattformen zu finden. 

Beide letztgenannten Fälle werden ein gerichtliches Nachspiel für die Straftäter haben, bzw. die Verfahren laufen bereits. 
Was kann man nun als Self Publisher unternehmen, um seine Werke zu schützen?  

Dazu befragte ich Andreas Kaspar (CounterFights Anti-Piracy), Andreas Kemerle (Fifthfreedom GmbH) und Volker Rieck (File Defense). 
Wobei erwähnt werden sollte, dass CounterFights ab Januar 2020 keine Piraterie-Bekämpfung im Buchbereich mehr anbietet. Dennoch gab mir Andreas Kaspar eine kleine Checkliste, wie effektive Pirateriebekämpfung aussehen sollte:

  1. tägliche Prüfungen der Piraterieportale auf neue Einträge mit illegalen Angeboten
  2. tägliche Prüfungen der bekannten Fundstellen von Schwerpunkttätern
  3. mehrfach täglicher Versand von Löschungsaufforderungen
  4.  nachtreten bei Rechenzentren etc. nach spätestens 3 Tagen
  5. Täterermittlungen
Ob man dies in Eigenregie macht oder einen Dienstleister beauftragt, ist natürlich jedem selbst überlassen. Doch nun zu den Kurzinterviews. 

Auf die Frage, wo er einen wirksamen Ansatz bei der Anti-Piraterie-Bekämpfung im eBook-Bereich, besonders für Self Publisher sieht, sagt Andreas Kemerle: 


Wir sind seit mehr als zehn Jahren für kleine und große Verlage und andere Medienunternehmen aktiv und es zeigt sich, dass Notice & Takedown nach wie vor das schnellste und effektivste Verfahren ist, um illegale Angebote zu beseitigen. Dabei werden Urheberrechtsverstöße auf Grundlage des DMCA (Digital Millenium Copyright Act) gemeldet und entfernt. Auf diesem Weg kann die Masse illegaler Angebote minimiert werden und es lassen sich die Nutzer identifizieren, die maßgeblich für die Verbreitung verantwortlich sind. Abhängig von den Rahmenbedingungen können diese dann juristisch verfolgt werden. 
Bildquelle: Pixabay

Volker Rieck von File Defense wurde mit der Piraterie-Problematik zuerst als Game-Entwickler und Urheber konfrontiert und kann somit sehr gut nachvollziehen, was Autoren umtreibt, wenn sie entdecken, dass ihre Werke zum illegalen Download angeboten werden.

MÇ: Ich denke, jeder Rechteinhaber kennt diesen Moment der Ungläubigkeit, wenn er zum ersten Mal sieht, mit welcher Selbstverständlichkeit sich an fremden Rechten vergriffen wird. Man lotet aus, wie man sich zur Wehr setzen kann, und oft merkt man schnell, dass man als Einzelkämpfer ziemlich chancenlos ist. Wie sind Sie dann weiter vorgegangen?

Volker Rieck: Wer jemals versucht hat, das Problem der Piraterie mit Bordmitteln zu lösen, der weiß, dass das nicht wirklich funktioniert.
Technik hilft dabei, ein effektives Beschwerdesystem zu betreiben. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es längst automatisierte Systeme gibt, die nichts anderen wollen, als Titel immer verfügbar zu haben durch Re-Uploads.
Uploader wollen Geld mit Uploads verdienen und daher werden sie immer versuchen Wege zu finden, dass dieser Verdienst erhalten bleibt.
Wir haben unsere Technik im Laufe der Zeit immer weiter angepasst und verbessert.
Dazu gehört auch das Lösen von Captchas. 

MÇ: Sie erwähnten, dass Sie im Begriff stehen, auch Self Publisher aufzunehmen. Ab wann können sich Autoren voraussichtlich bei Ihnen melden und ein Angebot einholen?

VR: Wir haben jetzt schon Kunden aus dem Buchbereich, lernen aber die speziellen Bedürfnisse von Selfpublishern gerade erst kennen. Deren Werke werden eher selten in gedruckter Form angeboten, wo die Preise und Margen einfach höher sind als bei reinen digitalen Versionen. Folglich muss sich ein Service an diese Gegebenheiten anpassen, was die Preisgestaltung angeht.
Wir sind gerade dabei, für die Buchbranche bzw. dort die Selfpublisher eine Information zu erstellen, die das System und die Preise erklärt.
Melden kann sich bereits jeder, wir setzen uns dann mit den Interessenten in Verbindung, sobald die Unterlagen fertig sind. Das sollte aber nicht mehr lange dauern.
Was sich schon jetzt sagen lässt: Die Kunden buchen ein Paket mit Zugang zum System, mit einer bestimmten Anzahl von Titeln, die sie nach Bedarf auch selbst austauschen können. 

F: Sie sagten mir im Vorfeld, dass Sie mehrere Crawler über die Downloadportale und in die Foren schicken und sozusagen rund um die Uhr nach Urheberrechtsverletzungen gesucht wird und diese sozusagen in einem Aufwasch gemeldet werden. Wie ist das weitere Vorgehen, wenn der Hoster zu lasch reagiert? Eskalieren Sie dann z.B. an das Rechenzentrum?

VR: Die Crawler arbeiten in der Tat 24/7, also rund um die Uhr.
Wir sehen auch keinen wirklichen Nutzen darin, eine Suche auf wöchentlicher Basis zu machen oder gar monatlich. Die Werke wären dann sehr schnell wieder da und eine Woche oder länger wieder verfügbar.
Eskalationen an das Rechenzentrum sind dann ein Weg, wenn nicht gelöscht wird oder Seitens der Hoster wirre Forderungen nach Identitäten gestellt werden, die gesetzlich 
(E-Commerce-Richtlinie bzw. Telemediengesetz) so gar nicht vorgesehen sind.

Wobei wir besser im Voraus sagen, dass auch das nicht immer sofort eine Lösung und vor allem keine für alle Ewigkeit bringt.

MÇ: So wie ich Sie bei unserem Telefonat verstanden habe, agieren Ihre Kunden sehr selbstständig. Sie melden ihre Werke über einen direkten Zugang und verwalten von dort auch die Daten und haben Einblick in die Statistiken. Wie lange dauert es, bis ein neuer Titel von Ihrem System erfasst wird und wann erfolgt dann der erste Suchdurchgang und wann werden dann die ersten Aufforderungen zum Take-down verschickt?

VR: 
Wir setzen auf einen Zugang zum System und einen autarken Kunden, der seine Titel selber pflegen kann und auch Reports so erzeugt, wie er sie braucht. Wir wollen keine Reports hin- und herschicken.
Sobald der Kunde den Titel in das System eingegeben hat, beginnt die Suche innerhalb der Datenbank. Aus ihr kommen die Daten und in diese Datenbank bringen die Crawler die Daten. Die Suche beginnt also schon sehr viel früher, nämlich bereits dann, wenn das Werk Dank der Crawler in die Datenbank geschrieben wurde. Das ist der Vorteil, wenn die Quellen permanent indexiert werden und die Crawler diese Quellen regelmäßig besuchen. Wir kennen also auch Werke, für die wir (noch) nicht beauftragt sind.
Das System bietet eine Suchfunktion an. Mit der kann man sich theoretisch auch andere Werke ansehen, egal ob Game, Musik, Film usw. Es bietet, wenn man so will, eine Schnellübersicht an.
Hier ein Beispiel eines Sachbuchs. Richard David Precht „Sei Du selbst“.
Das System listet 100 Einträge auf. Es würde im Falle einer Beauftragung anfangen, die Links dazu zu finden und zur Löschung bringen.


Screenshot: ©File Defense

Fifthfreedom, die seit einiger Zeit Fördermitglied im Self Publisher Verband sind, nehmen ebenfalls Self Publisher als Kunden auf. Hier meine Fragen an Andreas Kemerle: 

MÇ: Wie sieht Ihre Vorgehensweise aus? Gerade bei Neuerscheinungen, die innerhalb weniger Stunden auf den entsprechenden Seiten erscheinen, besteht ja Handlungsbedarf, um den finanziellen Schaden zu begrenzen.

Andreas Kemerle: Wir überprüfen die einschlägigen Portale bereits vor der Veröffentlichung des Titels und ermitteln, wie interessiert die Szene ist. Auf dieser Grundlage beurteilen wir das Piraterierisiko der Neuerscheinung und planen einen entsprechenden Einsatz der Ressourcen zu deren Schutz.
Je höher das Risiko, desto engmaschiger kontrollieren und sperren wir.
Interessierte können sich auf unserer Website zum Thema informieren oder sich mit Fragen direkt an uns wenden. Darüber hinaus bieten wir Rechteinhabern, die nur ein kleines Budget einsetzen können, technische Lösungen, mit deren Hilfe sie in Eigenregie gegen Online-Piraterie vorgehen können.

MÇ: Das mit dem kleinen Budget klingt sehr interessant für SP. Können Sie mir dazu etwas ausführlicher antworten? Wie hoch wäre der zeitliche und finanzielle Einsatz für einen Autor und wie sieht die „Gefahrensituation“ aus, sich etwas Hässliches auf den Rechner zu laden?

AK: Fifthfreedom steht prinzipiell allen Rechteinhabern und anderen am Thema Interessierten für Fragen zur Verfügung – wir erklären gern, wie Filesharing funktioniert und welche Maßnahmen helfen, die eigenen Werke sinnvoll zu schützen. Für Mitglieder des Selfpublisher-Verbandes haben wir dafür eine eigene E-Mailadresse eingerichtet und planen außerdem, Webinare zum Thema anzubieten. Wir möchten aufklären und Rechteinhaber ermächtigen, unsere Informations- und Beratungsangebote sind daher kostenfrei.
Wie hoch der Aufwand für gebuchte Maßnahmen im Einzelfall ist, lässt sich nicht pauschal sagen.. Unsere Angebote sind immer auf den jeweiligen Fall zugeschnitten und damit auch für Rechteinhaber mit kleinem Auftragsvolumen erschwinglich.
Aber um es noch einmal zu betonen: Die wichtigste Voraussetzung, um selbst gegen Piraterie vorgehen zu können, ist Wissen. Wer beispielsweise nicht in der Lage ist, ein illegales von einem Fake-Angebot zu unterscheiden, wird Probleme haben, sein Werk erfolgreich zu schützen. 
Um sich keine Schadsoftware „einzufangen“, hilft es, ein paar einfache Regeln zu befolgen: Keine Updates aus zweifelhaften Quellen akzeptieren; keine persönlichen Daten herausgeben; nicht auf PopUps reagieren, die einen Virusbefall vorgaukeln.
Die einschlägigen Websites können sich den Einsatz von Schadsoftware in der Regel selbst nicht erlauben, weil sie damit auch ihre eigentlichen Nutzer verlieren würden.

Wie kann man als Autor seine Rezensions- und Vorabexemplare schützen?

Einen gewissen Schutz bieten Markierungen und personalisierte Exemplare. Wobei mir persönlich nicht wohl bei dem Gedanken ist, dass ich meine Rezensionsleser damit unter Generalverdacht stelle. Welche verheerende Wirkung eine weitergereichte Kopie hat, sollte man nicht unterschätzen, wie diese Grafik anschaulich zeigt. 
Wobei Appelle an die Verursacher so einer Kopierwelle vermutlich wenig fruchten, da man sich als Geiz-ist-geil-Leser lieber nicht den verursachten Schaden vor Augen rufen will. 
Aber warum eigentlich nicht? Warum nicht mal fünf Sekunden darüber nachdenken, dass man dem Lieblingsautor, dessen neuestes Buch man geradezu verschlingt, einen Schaden zufügt, über dessen Ausmaße und Folgen man sich überhaupt keinen Begriff machen kann. 
Fühlt es sich jetzt immer noch so gut an, das Vertrauen, das der Autor in einen gesetzt hat zu missbrauchen, damit andere andere ein paar Euro sparen können, um das neueste illegal erworbene eBook zu lesen? 
Grafik: Isabell Schmitt-Egner

Die Frage nach einem Kopierschutz bzw. einem Wasserzeichen taucht auch immer wieder auf. Dass ein harter Kopierschutz genauso schnell geknackt wird, wie ich diesen Satz tippe, braucht man eigentlich nicht extra zu erwähnen. Wasserzeichen haben sich im eBook-Bereich nicht durchsetzen können. Warum das so ist, erklärt Andreas Kaspar: 

Passive Schutzmaßnahmen wie z.B. ein Wasserzeichen in einer E-Book Datei können ein guter Ansatz sein, um Gelegenheitstäter von der illegalen Verbreitung dieser Werke abzuhalten. Ein kostenpflichtiges Wasserzeichen für eine E-Book Datei, die vorab an Rezensenten herausgegeben wird, macht nach meiner Ansicht nur dann Sinn, wenn die erhöhte Gefahr besteht, dass diese Datei auch widerrechtlich verbreitet wird.
Im Endeffekt bringen diese Wasserzeichensysteme jedoch nur wenig, wenn nach unseren bisherigen Erkenntnissen der überwiegende Teil der illegalen Kopien aus nur einem Shop stammt, der solche Wasserzeichen gerade nicht einsetzt, und dessen (DRM-)Kopierschutz- und Dateisystem mit wenigen Mausklicks ausgehebelt werden kann.

Wie steht nun der Self Publisher-Verband zur ebook-piraterie? Jahrelang wurde das Thema ja leider ignoriert, bzw. verharmlost. Das hat sich jetzt entscheidend geändert. So sagt die 1. Vorsitzende Vera Nentwich: 

»E-Book-Piraterie ist Diebstahl, keine Werbung. International agierende Kriminelle eignen sich das geistige Eigentum der Autorinnen und Autoren an, um damit Geld zu verdienen oder auch weitere Straftaten zu begehen. Wir als Interessenvertretung der unabhängigen Autorinnen und Autoren verurteilen dies auf das Schärfste und sind glücklich darüber, dass wir mit Counterfights und fitfthfreedom zwei namhafte Unternehmen, die sich dem Kampf gegen diese Piraterie verschrieben haben, zu unseren Fördermitgliedern zählen dürfen.«

Dass es nicht bei einem Statement bleibt, zeigte der Verband, indem er sich finanziell an dem Verfahren gegen Wettex beteiligte und somit den Weg für viele geschädigte Self Publisher freimachte, zivilrechtlich gegen diesen Uploader vorzugehen. 
Es ist zu wünschen, dass weitere Aktionen von Seiten des SP-Verbands folgen werden. 

In meinem nächsten Beitrag werde ich darauf eingehen, welche Auswirkungen die eBook-Piraterie auf die gesamte Buchbranche hat, und warum die Self Publisher mehr oder weniger als Einzelkämpfer im Regen stehen.  

Zu Teil 1 der Reihe geht es hier.
Links zu den beiden Dienstleistern: https://www.filedefense.de und https://www.fifthfreedom.com

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