Plagiat - Lockruf des schnellen Geldes – Reloaded

Vor rund zwei Wochen bekam ich über Facebook einen Link zu einem Liebesroman geschickt – die Protagonistin würde meinen Namen tragen. Neugierig habe ich auf das Buch geklickt und mir die Kurzbeschreibung angesehen. Als Nächstes sprang mir eine 1-Sterne-Bewertung ins Auge – Überschrift: "Alles geklaut". Die Leserin schrieb weiter, dass sie die Geschichte schon kennen würde und dass nur einige Änderungen  gemacht wurden, wie "Handy eingebaut". Sie nannte auch die vermeintliche Quelle "ein Deniseroman".
Ich muss gestehen, zu diesem Zeitpunkt war ich in keiner Weise misstrauisch. Typische Liebesromane tun sich i.d.R. nicht durch besonders große Raffinesse in Sachen Handlung hervor. Die Leserinnen haben bestimmte Erwartungen, die von den Autoren bedient werden, was ja durchaus legitim ist.
Als dann wenige Stunden später, das eBook gelöscht war dachte ich: ‘Jetzt ist es also schon so weit, dass Amazon Bücher aufgrund einer einzelnen Kundenbewertung löscht.’

Was allerdings ausblieb, war der empörte Aufschrei der Autorin, in einer einschlägigen Facebook-Gruppe und auch sonst war es geradezu verdächtig still in den sozialen Netzwerken. Als dann wenige Tage später das Taschenbuch komplett aus dem Verzeichnis bei Amazon gelöscht worden war, ahnte ich: Hier konnte kein Versehen mehr vorliegen. Create-Space-Titel löschen zu lassen, ist nur mit guten Amazon-Kontakten möglich – die die betreffende Autorin ja hatte, da sie bereits mehrere Titel über Amazon Publishing veröffentlicht hat.
Dies war der Moment, an dem ich einer Kollegin den Link schickte. Ich hatte mich bereits im Sommer 2014 öfter mit ihr ausgetauscht, damals ging es u.a. um einen, aus dem Englischen übersetzten Titel, der im Self-Publishing erschienen war und ebenfalls bis in die Top 20 bei Amazon geklettert war. Auch damals hatte eine aufmerksame Leserin die Übereinstimmungen mit dem Original entdeckt. Ich wollte wissen, ob die Kollegin etwas über den Vorfall gehört hatte.
Zwei Tage später folgte ein Tweet von Sven Schröder (ChickLitPlag & More: Kopierküsschen) und nur einen Tag danach folgte eine öffentliche "Erklärung" der Autorin, die das Buch unter ihrem Pseudonym Cathey Peel veröffentlicht hatte, auf ihrem privaten Facebook-Profil.
Bild 1
16. Januar 2016
Wer schon einmal einen umfassenderen Text in seinem Leben geschrieben hat, weiß wie aberwitzig diese "Erklärung" ist. Dementsprechend ungläubig reagierten die meisten Autoren, die in dem Thread kommentierten – alles sehr bekannte und erfolgreiche Kollegen aus dem Self Publishing.
Doch K.P. blieb hartnäckig bei ihrer Version und selbst als ein zweiter Titel genannt wurde, der gelöscht worden war, hatte sie auch dafür eine Begründung, die leider genauso wenig plausibel war. Als die Diskussion in eine Richtung ging, die der Autorin nicht behagte, löschte sie den Beitrag.

In der Zwischenzeit begab man sich auf Spurensuche. Der Name der Heftroman-Reihe war bekannt – doch nun ging es darum, aus über 500 Veröffentlichungen den richtigen Titel zu finden. Da die Autorin sich offensichtlich sehr sicher gewesen war, nicht erwischt zu werden, hatte sie ihre Spuren nicht besonders gut verwischt. Kurze Zeit später war die Vorlage zu "Alles begann mit Dir" gefunden und auch bei dem zweiten gelöschten Titel reichten die Hinweise aus, um zwei Mystery-Romane als mögliche Kandidaten einzukreisen. (Anmerk.: Die Vorlage zu "Das Amulett in mir" wurde inzwischen gefunden. Als Nachtrag gibt es dazu zwei Screenshots)

Um die Affäre nicht nur für die Autorin, sondern auch für Self Publisher allgemein nicht zu einem exorbitanten Shitstorm ausarten zu lassen, wurden K.P. die gefundenen Titel genannt und ihr eindringlich nahegelegt, reinen Tisch zu machen.
Es folgte ein neuer Status auf ihrem Facebook-Profil – und eine neue Diskussion. Einige Stunden später wurde der Status bearbeitet und ihre "Erklärung" erneut hinzugefügt – obwohl sie schon längst als unwahr belegt worden war – auch von der Autorin selbst. Kurz darauf wurde auch dieser Beitrag gelöscht.

Bild 2
17. Januar 2016
Mittlerweile sind diverse Artikel zu dem Vorfall erschienen – auf Blogs, in Branchenmagazinen und sogar in der Springer-Presse – einige sachlich, andere hämisch.
Einige Links stehen unter diesem Blogpost.

Abschließend möchte ich noch einige Punkte anmerken.
Über die Motive, die hinter diesen Plagiaten standen, werden wir vermutlich nie etwas erfahren. Es scheint fast, dass K.P. da einiges verdrängt. War es der Erfolgsdruck, immer vorne an der Spitze zu stehen, war es eine Schreibblockade? Oder war es einfach nur Gier, die diese erfolgreiche Autorin dazu getrieben hat, sich an der Arbeit anderer zu bereichern zu wollen?
Eines sollte man nämlich bei der ganzen Diskussion nicht vergessen, dass dieser Young Adult-Titel sehr viel Geld eingebracht hat. Im umsatzstarken Dezember kann man gut und gerne von einer Größenordnung zwischen 10.000 und 20.000 Euro reden. Außerdem wurden die anderen Titel mitgezogen, die auch noch Geld eingespielt haben und der All-Star-Bonus wurde natürlich auch ausgeschüttet.
Was letztendlich mit diesem Honorar passiert, dürften dann wohl die Anwälte des Cora Verlags und Amazon entscheiden.

Was diese Affäre für das Image und die Karriere von Katja Piel bedeutet, wird sich erst noch zeigen.
Anders, als damals Martina Gercke, die "nur" einige Textstellen kopiert hat, wurden hier komplette Romane plagiiert. Außerdem hat K.P. die Vermarktung ihrer Bücher ganz eng an ihre eigene Person geknüpft. Man könnte fast sagen: Erst kommt die Autorin, dann ihre Bücher.
Ihre Autoren-Kollegen, denen sie auf der nächsten Buchmesse in die Augen sehen muss, werden den Vorfall vermutlich nicht so schnell vergessen können.
Die Frage, wie ihre Verlage reagieren, muss sie sich auch stellen – sie veröffentlicht nicht nur über Amazon Publishing, sondern hat auch einen Vertrag über einen Dreiteiler bei einem renommierten Hamburger Verlag unterschrieben.
Ihre Leserinnen hingegen werden ihr diesen "Fehler" schnell verzeihen, bzw. haben bereits verziehen. Das zeichnete sich in den beiden Facebook-Threads deutlich ab. Und ich bin mir sicher, auch ihre nächsten Bücher werden wieder gekauft und gelesen werden.

Die Reaktionen dieser Leser – das ist etwas, das mich jedoch mindestens genauso erschüttert, wie dieses dreiste Plagiieren: die Bereitschaft, solche Vorfälle herunterzuspielen.
Die Bekundungen, dass es "mutig" war an die Öffentlichkeit zu gehen – wobei der Vorfall zu diesem Zeitpunkt bereits kein Geheimnis mehr war.
Aussagen wie "das kann doch mal passieren, jeder macht mal Fehler".
Die anderen Autoren massiv anzugehen, die in aller Höflichkeit ihre begründeten Zweifel geäußert haben.
Und das völlige Ausblenden, dass bereits der Verdacht im Raum stand, dass mit der Veröffentlichung dieser beiden Titel eine Straftat begangen worden war.

Man kann diesen Diebstahl nicht relativieren. Denn es ist völlig egal, was kopiert wurde – ob es Bestseller oder "nur" Heftromane waren. Es ist auch völlig egal, wann die Titel erschienen sind – vor dreißig Jahren oder vor drei Tagen. Solange das Urheberrecht nicht erloschen ist, sind sie das geistige Eigentum der Verfasser und in diesem Fall auch der Übersetzer, da die Originale aus den USA stammen.

Und jetzt passiert das Unvermeidliche: Es heißt wieder "DIE Self Publisher", so als würden Verlagsautoren nie plagiieren, so als würde sich eine große Gruppe von Autoren unverdientermaßen bereichern. Und wieder ist er da, dieser Beigeschmack des Anrüchigen, wenn es ums SP geht.
Wobei man inzwischen doch wissen müsste, wie viele gute und erfolgreiche Autoren auf diesem Gebiet tätig sind. Nicht ohne Grund flattern den Top-Autoren immer wieder Angebote von Verlagen ins Haus.
Nichtsdestotrotz wird die Gelegenheit genutzt, um mit einem Rundumschlag alle Self Publisher mit Häme zu überschütten. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit, wird dieser Vorfall immer wieder zu einem "hab ich's nicht gesagt …" herangezogen werden.

Mich macht dieser neue Vorfall wütend und traurig. Allerdings habe ich die Hoffnung, dass viele potenzielle Plagiatoren durch diesen Vorfall auf- und abgeschreckt wurden.
Katja Piel ist keine unbekannte Autorin – anders als Sybilla Lockhart, die nachdem sie überführt wurde, in der Versenkung verschwand und deren Fall auch weitestgehend unbeachtet geblieben war.
Die Botschaft an diese Diebe ist jedenfalls deutlich: Früher oder später werdet ihr erwischt werden, denn eure Leser sind nicht so dumm, wie ihr anscheinend glaubt.

Myra Çakan – Januar 2016

Nachtrag: Eben erreichten mich zwei PDF-Dateien, die ich hier posten werde. Sie belegen zweifelsfrei, in welchem Umfang hier plagiiert wurde. Es handelt sich dabei um Textstellen aus "Das Amulett in mir" und dessen Vorlage.  Der erste Text wurde zuerst in einer Anthologie noch unter Pseudonym veröffentlicht – einem Projekt übrigens, das von mehreren Autorinnen für einen guten Zweck initiiert wurde. 

Bild 3
Amazon.de

Bild 4
CORA Verlag


Links zu Beiträgen:
Indie Publishing
Tweet von Sven Schröder
Copy Shake & Paste
Self Publisher Bibel
Die Welt

Kommentare

Andrea hat gesagt…
Schade, dass immer wieder Autoren meinen, dass ihnen niemand auf die Schliche kommt... Ich glaube, dass K.P. weder in Leipzig noch in Frankfurt ihren Kollegen und Lesern unter die Augen treten wird. Ebenso, wie sie momentan in der Versenkung verschwunden ist. Nicht, ohne zuvor jegliche Diskussionspunkte aus ihren facebook-Profilen zu löschen. Das finde ich jetzt nach ihrem vorangegangenen Schritt doch etwas seltsam und erinnert mich an kleine Kinder, die sich mit den Händen die Augen zu halten, in dem Glauben, dass sie dann nicht mehr gesehen werden.
K.P. mußte sich darüber im Klaren sein, dass sie nicht nur ein Kuschelwuschelstuhlkreis erwartet, wenn sie mit dieser Räuberpistole an die Öffentlichkeit geht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie wirklich so naiv war anzunehmen, dass niemand der ihren Versuch sich für ihr Tun zu rechtfertigen, dieses veurteilen würde. Klar blieben die Bauchpinsler nicht aus, die mit Herzchen und Küsschen trösteten und ihren nicht vorhandenen Hut vor K.P. zogen, weil sie diesen "mutigen" Schritt machte. Den hätte sie nicht tun müssen, wenn sie im Vorfeld korrekt gehandelt hätte. Auch für mich war ihr Auftritt alles andere als ehrlich. Jeder Autor erkennt seine eigenen Texte aus vielen anderen heraus. Zu behaupten, dass man sich nicht erinnern könne, finde ich an den Haaren herbei gezogen.
K.P. wird sicherlich nun die Härte des wahren Lebens zu spüren bekommen, denn es geht nicht nur um den entgangenen Umsatz des ursprünglichen Autors und des Verlages, es ist eine Urheberrechtsverletzung und wird sicherlich noch mehr nach sich ziehen.
Ich für meinen Teil ziehe meinen Hut respektvoll vor Autoren, die sich wirklich in mühevoller, monatelanger Kleinarbeit ihre Geschichten erarbeiten. Egal, ob sie die dann als Selfpublisher oder Verlagsautor auf den Markt bringen. Ehrlichkeit muss belohnt werden.
Anonym hat gesagt…
Interessant ist folgende Frage: Ist der Cora Verlag überhaupt noch geschädigt? Da er damals nur eine Lizenz an dem Originalroman hatte. Geschädigt ist auf jeden Fall die Autorin, der Originalverlag UND die deutsche Übersetzerin, das ist sicher. Bzgl. des deutschen Verlages weiß ich es nicht.