Thomas Knip berichtet: das 1. SP-Festival in Senigallia/Italien

Als mir Thomas Knip vor einigen Wochen erzählte, dass er auf dem ersten SP Festival in Senigallia/Italien sein würde, habe ich ihn natürlich sofort für einen Gastbeitrag "engagiert". Hier ist sein Bericht über eine Veranstaltung, die ich mir für Deutschland auch wünschen würde.

#ISPF 2013 – Das 1. Selfpublishing Festival in Senigallia/Italien

Foto: Thomas Knip
Am 19. und 20. Oktober, gerade einmal eine Woche nach der Frankfurter Buchmesse, fand in Senigallia mit der #ISPF2013 das erste Self Publishing Festival in Italien statt.
Veranstaltet wurde es von Simplicissimus, einem Unternehmen, das Dienstleistungen rund um die Erstellung und den Vertrieb von Büchern und eBooks anbietet. Gegründet wurde es 2006 von Antonio Tombolini, der seitdem bewusst auf digitalen Content und die Möglichkeiten des Self Publishing setzt. Mit Narcissus bietet er eine Plattform, die man in etwa mit Xinxii vergleichen kann.

Ich hatte ohnehin nicht vor, nach Frankfurt zu fahren, und als Autor und kreativer Mensch bin ich stets offen für neue Eindrücke. Von Simplicissimus kam dann prompt der Vorschlag, ob ich nicht mit einem Programmpunkt teilnehmen möchte. Dieses Tempo war mir fast schon etwas unheimlich, aber ich habe dann gerne zugesagt.
Eine in Italien lebende Self Publisherin hat mir dankenswerterweise viel von der Organisation vor Ort abgenommen, mich vom Flughafen abgeholt und stand mir als Übersetzerin bei vielen Programmpunkten zur Seite. Ohne ihre Hilfe wäre ich häufiger mal ins Schwitzen geraten. ☺
Das Festival wurde auf dem Foro Annonario ausgetragen, einem neoklassizistischen Bau aus dem 19. Jahrhundert mitten in der Altstadt von Senigallia. Am Samstag war vor dem Forum sogar noch Wochenmarkt. Noch direkter unter die Menschen kann man mit so einer Veranstaltung schon nicht mehr gehen.
Die Veranstaltungen fanden zudem fast alle im Freien statt, was bei blauem Himmel und strahlender Sonne natürlich zur Stimmung beitrug.

Rund um die Bühne und die Sitzgruppen befanden sich zwei Halbkreise mit kleinen Buden, an denen Dienstleister für Self Publisher ihre Angebote für digitale oder gedruckte Projekte ausstellten. Soweit ich mitbekommen habe, ist das Interesse bis kurz vor Beginn des Festivals so angestiegen, dass Simplicissimus zahlreichen Anbietern absagen musste.
Foto: Thomas Knip
Die Programmpunkte fanden im Viertelstundentakt statt. Vorträge und Diskussionen wechselten dabei mit Lesungen und Musikdarbietungen ab. Das erlaubte es, immer wieder mal eine Pause einzulegen, sich umzusehen oder sich mit den international zusammengesetzten Mitarbeitern von Simplicissimus auf Englisch zu unterhalten.

Da in den Beiträgen ein breites Spektrum an Themen abgedeckt wurde, blieb es nicht aus, dass man sich die Veranstaltungen rauspickt, die einen persönlich am ehesten interessierten.

Einer davon war ein Interview mit Edoardo Brugnatelli von Mondadori, einem der großen italienischen Medienkonzerne.
Seine Meinung zu Self Publishing unterschied sich meinem Eindruck nach kaum von der, wie man sie vielerorts auch in Deutschland in der Buchbranche noch antrifft. Self Publishing sei eher etwas Verspieltes, das man mal machen und ausprobieren könne – er habe es selbst schon getan -, aber es sei eben kein Vergleich mit einem ernsthaften (ernstzunehmenden?) Projekt wie einer Verlagsveröffentlichung über den Buchhandel.
Man konnte aus seinen Antworten heraushören, dass er sich mit Self Publishing auseinandersetzt. Ich hatte nur den Eindruck, ihm fehlt noch die Erfahrung, einen SP-Autor in der Bestsellerliste vor seinen Verlagsautoren platziert zu sehen, um das Potenzial und die Veränderungen wirklich zu verstehen …

Der folgende Beitrag von Kobo mit seiner Vorstellung von Writing Life hatte dann schon viel von einer Werbeveranstaltung an sich.
Amazon war nicht auf dem Festival vertreten, und so nutzte Camille Mofidi, die Writing Life-Managerin für Europa, natürlich die Gelegenheit, die Vorzüge der eigenen Plattform hervorzuheben. Kobo ist in Italien – gerade auch durch die Kooperation mit Mondadori und der Buchhandelskette Feltrinelli – in den Buchläden vertreten. Was das an Marktanteilen heißt, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen.
Wie lange dieser Vorsprung anhält, sobald Amazon auch im italienischen Markt pusht, bleibt abzuwarten. Es bliebe aus Gründen der Vielseitigkeit zu wünschen, wenn der "italienische Weg" vielleicht etwas anders verläuft als der deutsche.
Da alle Teilnehmer nach ihrem Beitrag noch in einem separaten Bereich für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung standen (wobei der Australier Paul Hayes mit seiner 7write.com-Plattform wie vom Erdboden verschluckt zu sein schien), nutzten meine Begleitung und ich die Gelegenheit, Frau Mofidi wegen der Aktion von WHSmith  auf den Zahn zu fühlen.
Ich gebe zu, es macht Spaß, Menschen aus dem Konzept zu bringen, indem man ihnen Fragen stellt, mit denen sie nicht gerechnet haben.
Sie musste auch eine Antwort schuldig bleiben, wie überhaupt Kobo diese Masse an offline genommenen Self Publishing-Titeln überprüfen will, ob per Algorithmus oder manuell. Und damit war auch klar, dass Kobo überhaupt keine Ahnung hat, wie lange es zu einer Lösung benötigt. Ebenso, wie solche Fälle in Zukunft vermieden werden können.
Antonio Tombolini - Foto: Thomas Knip

Am Sonntag haben sich dann trotz der relativ frühen Zeit einige Gäste zu meiner Übersicht zu "Self Publishing in Deutschland" eingefunden, die von mir auf Deutsch vorgetragen und von meiner Begleitung direkt ins Italienische übersetzt wurde.
Ich wollte mit meiner Darstellung zeigen, wie schnell sich ein Markt entwickeln und verändern kann und welche Potenziale er bietet. Über das positive Feedback habe ich mich gefreut und stand im Anschluss daran für zwei Anfragen zu konkreten Umsetzungen zur Verfügung. Mal sehen, was sich hieraus ergibt.

Was unausgesprochen dabei mitschwang – und das ist auch in den Überlegungen von Simplicissimus-Gründer Antonio Tombolini deutlich zu spüren -, ist dieser grenzübergreifende Ansatz, in Europa mehr nur als den eigenen heimischen Markt im Auge zu haben.

Dieses offene Forum (im wahrsten Sinne des Wortes) erlaubte vor allem eines: einen offenen Zugang. Interessierte Passanten konnten sich ohne Sperren oder Anmeldung einen Einblick vom Self Publishing und der digitalen Entwicklung des Buchs verschaffen und den Beiträgen zuhören.
Samstagabend fand zudem ein frei zugängliches Musikkonzert statt (man hörte es aber noch einen Kilometer weit stadteinwärts, und dafür dann in Zimmerlautstärke ;) ).
So weckt man Interesse (gerade auch bei der nächsten Generation an Lesern) und kapselt Autoren oder die Buchbranche nicht in einer eigenen Welt ab, sondern bindet sie in den Alltag der Menschen ein, die man ja erreichen will: die Leser.
Sollte solch ein Festival doch einmal in Deutschland realisiert werden, sollte man genau diesen Aspekt berücksichtigen und sich nicht hinter einer Fachmesse verschanzen, sondern bewusst den direkten Kontakt zu den Lesern suchen – denn das ist doch genau die Stärke, die man als Self Publisher hat.
Foto: Thomas Knip

Insgesamt hat das Festival bei mir einen sehr positiven Eindruck hinterlassen. Und es war eine gute Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen und Möglichkeiten zu sehen, an die ich vorher noch nicht gedacht habe.
Es war für ein erstes Mal sehr gut organisiert und bot für die Kürze der Zeit, die von der Planung bis zur Umsetzung verging, ein interessantes Programm. Laut Betreiber waren über 1000 angemeldete Gäste und insgesamt 2500 Besucher anwesend (und so wie es aussieht, war ich tatsächlich der einzige Deutsche ^^).
Wichtig war für mich vor allem der Blick über den deutschen Tellerrand hinaus. Zu sehen, mit welcher Dynamik und welchem Impuls ein noch relativ junger Markt wie Italien mit Self Publishing umgeht und daran herangeführt wird, ist im Vergleich zur mitunter vorhandenen deutschen Trägheit eine willkommene Erweiterung des eigenen Horizonts.

Gibt es nächstes Jahr ein 2. Festival, überlege ich mir fest, wieder daran teilzunehmen. Und sei es nur der guten Küche wegen. ;)

Thomas Knip ist Autor, Illustrator und seit 2002 Verleger von eBooks.
Seine Autorenseite findet sich unter http://www.thomas-knip.de/, sein Autorenblog unter http://thomas-knip.blogspot.de/

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