Immer wieder lese ich in den einschlägigen FB-Gruppen Kommentare von Self Publishern, die mit ihren übersetzten Büchern den US-Markt stürmen wollen. Ich frage mich dann im Stillen, wie ein No-Name aus Deutschland ausgerechnet das schaffen will, was nur selten den US-Autoren gelingt. Ich rede hier nicht von Amazon-Crossing, die u.a. auch Emily Bold im Programm haben, sondern von den Einzelkämpfern unter den Self Publishern.
Nika Lubitsch ist so eine Einzelkämpferin. Die KDP-Überfliegerin von 2012 hat ihren Bestseller "Der 7.Tag" auf eigene Kosten eine Übersetzung anfertigen lassen und bietet diese seit einigen Wochen auf Amazon.com an - "The 7th Day".
Und da ich mich nicht weiter "im Stillen" fragen wollte, wie das denn tatsächlich mit der dem US-Geschäft so funktioniert, bat ich Nika um einen kleinen Erfahrungsbericht. Hier ist er:
Nika Lubitsch ist so eine Einzelkämpferin. Die KDP-Überfliegerin von 2012 hat ihren Bestseller "Der 7.Tag" auf eigene Kosten eine Übersetzung anfertigen lassen und bietet diese seit einigen Wochen auf Amazon.com an - "The 7th Day".
Und da ich mich nicht weiter "im Stillen" fragen wollte, wie das denn tatsächlich mit der dem US-Geschäft so funktioniert, bat ich Nika um einen kleinen Erfahrungsbericht. Hier ist er:
Brave New Amazon-World
Die Welt der
Selfpublisher ist klein und überschaubar. Zumindest gaukelt amazon das allen
vor, die über KDP weltweit veröffentlichen. Täglich können wir unsere
Absatzzahlen in den einzelnen Ländern abrufen. Good morning, America, schon
wieder fünf E-Books verkauft, wir begrüßen freudig unseren ersten Leser in
Japan und ja, endlich, Brasilien meldet Umsatz. Es ist ein bisschen wie beim European Song
Contest: London is calling, 4 points from Paris, 9 readers in Spain, 6 points
from Rome with love. Montreal meldet 4 und irgendwo im fernen Indien
sitzt einer und liest dein Buch. Nicht, dass man mit diesen Umsätzen reich
werden könnte, aber wer reich werden will, wird nicht Schriftsteller. Wir
wollen gelesen werden und was flippt da mehr als ein Verkauf in Mumbai.
Tagtäglich lernen wir,
uns an den sich rasant verändernden E-Book-Markt anzupassen, hilfreich
unterstützt von Matthias Matting mit seiner Selfpublisher Bibel, der alles in
Zahlen, Daten, Fakten packt. Reichte vor einem Jahr noch eine
3-Tages-Gratisaktion, um in die Top Ten einzuziehen, benötigt man heute schon
ein paar mehr Marketing-Maßnahmen.
Nicht wenige Kollegen
haben Bücher darüber geschrieben, wie man mühelos und über Nacht einen amazon
Platz 1-Bestseller lanciert. Leider kranken diese Leitfäden an der
Schnelligkeit, mit der sich der Markt bzw. die Rahmenbedingungen ändern. Ich
spreche hier nicht von so sinnvollen Ratgebern für Neueinsteiger wie z.B. „Mein Buch. Vom Entwurf zum Bestseller“ von Myra Çakan, in dem es vor allem um das
grundlegende Handwerk geht, oder die Interview-Sammlung „Wie man erfolgreich E-Books verkauft“ von Ruprecht Frieling, die regelmäßig aktualisiert werden.
Ich rede von Ratgebern, in denen wir lernen, wie man richtig taggt, wie man
etwas im Klappentext fett bekommt, wie oft man Schlüsselwörter verwenden soll
und wie man am besten 99 Cent-Aktionen nutzt. Wie kommen die darauf, habe ich
mich gefragt. Wozu brauche ich das?
Da amazon uns nun
jeden Morgen vormacht, wie man mühelos und quasi im Schlaf weltweit Geld
verdient, liegt die Überlegung natürlich nah, dem weltweiten Absatz ein wenig
auf die Sprünge zu helfen. Eine englische Übersetzung muss her. Und zwar eine
ins amerikanische Englisch, denn da sitzen die meisten Leser.
Wer genug mit seinen E-Books
in Deutschland verdient hat, ist auch bereit, in die internationale Karriere zu
investieren. Dabei erweist sich bereits die Suche nach einem geeigneten
Übersetzer als nicht so einfach wie gedacht. Denn woher weiß ich, dass dieser
Übersetzer meine Sprache spricht, meine spezielle Stimme adaptieren kann? Es
soll sogar Leute geben, die glauben, sie könnten sich selbst am besten
übersetzen. Man fragt sich, ob man deren Mut bewundern oder ein leises Mitleid
empfinden soll. Nehmen wir nun also an, wir haben endlich einen Übersetzer
gefunden und nun steht der internationalen Karriere nichts mehr im Wege. Oder?
Leider doch, denn selbst der beste Übersetzer macht Fehler. Also sucht man sich
einen amerikanischen Editor, der das Ganze mit seinen US-Augen durchflöht.
Fertig? Nö, ein Proofreading muss ebenfalls her, also beginnt die Suche wieder
von vorn. In der Zwischenzeit wird der Grafiker an den Titel gesetzt, und wenn
alles gut geht, raus damit in die schöne, neue Welt. Aber halt! Amazon sagt: 44
Rechtschreibfehler. Und das nach dem teuren Proofreading! Oh, oh! Hat uns da
etwa einer abgezockt? Nachdem das Ding endlich eingestellt ist, schreiben zwei
Kollegen, sie hätten auf Seite 1 und 2 jeweils einen dicken Fehler gesehen. Oh
Schreck! Also nochmals raus damit, und das Ganze von vorn.
In der Zwischenzeit
hat man sich mit den amerikanischen Kollegen von Matting, Frieling und Çakan
eingedeckt und liest nun staunend, wie man in Amerika eventuell einen
Bestseller landen könnte. Man lernt, wie man richtig taggt, wie man den
Klappentext fett setzt und mit den richtigen Schlüsselworten spickt, wie man
mit 99 Cent-Aktionen spielt… halt! Das kennen wir doch alles bereits. Und
plötzlich geht dir ein Licht auf, die „Wie man mühelos und über Nacht einen
amazon-#1-Bestseller lanciert“-Autoren haben sich kräftig bei den
amerikanischen Kollegen bedient. Aha, denkt man, dafür brauche ich das also,
für USA.
Die 99-Cent-Aktionen
sind ja auch bei uns inzwischen ein Marketing-Instrument, wir nutzen Johannes
Zum Winkel und seinen xtme-Dienst gerne und immer öfter. In den USA gibt es Dutzende
Johannes Zum Winkels, die täglich die Gratis- und 99-Cent-Aktionen ankündigen.
Allerdings hat die Sache einen kleinen, aber gemeinen Haken. All diese Dienste
setzten eine bestimmte Anzahl von 5 bzw. 4-Sterne-Rezensionen voraus, sonst tun
sie gar nichts, auch für Geld und gute Worte nicht. So bewahren sie eine
gewisse Qualität der Empfehlung.
Aber im Normalfall hat der ambitionierte Autor
nun nicht gleich acht oder zehn gute Freunde in Amerika, die man mal schnell um
eine Rezi bitten kann. Natürlich kann man eine 99-Cent-Aktion für Geld
ankündigen lassen, aber das geht nun beileibe nicht von heute auf morgen. „Ende
August gäbe es da noch einen Slot.“ Aber man ist ja ungeduldig. Also muss schnell
eine gratis-Aktion her, eine, mit der man hofft, ein paar Rezi-Sternchen
einzufangen.
Erwartungsvoll setzt
man das Datum fest. Ging doch in Deutschland auch. Und dann heißt es warten.
Man schaut auf den Zähler, schließlich ist man gewohnt, dass bei solchen
Aktionen in Deutschland mehr als 2000 Stück pro Tag abgesetzt werden. Hängt der
Zähler? Nein, natürlich hängt er nicht. Aber niemand weiß, dass du eine
Gratis-Aktion gemacht hast. Woher auch. Und dann schaut man mal in die
gratis-Charts. Moment mal, das können doch nicht die Gratis-Charts sein? Tom
Clancy, James Patterson (sogar mit 2 Büchern), Mary Higgins Clark, Amanda
Hocking, The Holy Bible, es wird dir schwarz vor Augen. Im Wunderland ohne
Buchpreisbindung nutzen auch Verlage und berühmte Autoren die gratis-Aktionen,
um z.B. die Einführung eines neuen Buches zu bewerben. Oder um den Absatz
kurzfristig mal wieder ein bisschen anzukurbeln. Man tritt also nicht gegen 500
Selfpublisher an, sondern gegen Tausende alteingesessene Profis. Da wird
gedrängelt, wie früher beim Ausverkauf bei C&A. Ich konnte auf Anhieb Platz
1.045 erobern. Und Platz 1 in den International Mystery Charts. Das sind diese
kleinen Unterkategorien, die ach so wichtig sind, sagen jedenfalls die schlauen
„Wie man mühelos und über Nacht“-Bücher. Platz 1 von fünf angebotenen Büchern
ist doch was, oder? Und ein mal 5 Sterne sind auch dabei rausgekommen.
Schöne, neue
amazon-Welt. Mit quick & dirty-Aktionen ist sie jedenfalls nicht zu
erobern. Für USA braucht man wohl ein wenig mehr. Geduld. Geld. Glück.
© Nika Lubitsch
Kommentare
Ich habe vor ein paar Wochen einen meiner Erotikbände auf Englisch veröffentlicht und auf Select gesetzt.
Die Downloadzahlen waren so unterirdisch niedrig, dass ich mir verwundert die Augen gerieben haben. Während Select beim deutschen Äquivalent nach wie vor greift.
Es kann nicht am Englisch liegen - denn dazu hätten es überhaupt erst einmal ein Schwung Kunden herunterladen und wenigstens verreißen müssen.
Ich gehe auch davon aus, dass der Konkurrenzdruck in den USA inzwischen dermaßen hoch ist, dass man ohne kostenpflichtige Marketingaktionen für kostenlose Titel vollkommen durchs Raster fällt und schlicht nicht zur Kenntnis genommen wird.
Da kann man fast beruhigt sein, dass deutsche Verlage so zurückhaltend sind und einen SP bislang frei werkeln lassen.