In den vergangenen Monaten wurde verschiedentlich über das Für und Wider von Gratis-Aktionen auf Amazon berichtet. Und der Tenor ging immer mehr in Richtung: Hat keinen Zweck, bringt nichts mehr.
Wie bei so vielen Dingen, rund ums Self Publishing, bringen aber Verallgemeinerungen ebenso wenig. Und daher hatte ich geplant, auch einen Beitrag zum Thema zu schreiben und von meinen eigenen Erfahrungen mit dem Bücherverschenken und von den Erkenntnissen, die ich daraus gewonnen habe, zu berichten.
Eigentlich, denn gestern las ich auf Facebook einen Kommentar von Matthias Brömmelhaus, der sich mit genau diesem Thema beschäftigte. Unter dem Pseudonym Béla Bolten hat er u.a. zwei historische Kriminalromane veröffentlicht und diese im Rahmen einer Gratis-Aktion verschenkt. Mit sehr gutem Erfolg. Sein aktueller Titel Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi), der kürzlich auch verschenkt wurde, ist z.Zt. auf Platz 6 bei den Krimis und auf Platz 17 im Gesamtranking!
Was lag also näher, als den Autor um einen Gastbeitrag zu bitten? Zu meiner Freude hat er zugestimmt, und hier kommt nun der überaus lesenswerte und fundierte Beitrag von Matthias Brömmelhaus:
Wie bei so vielen Dingen, rund ums Self Publishing, bringen aber Verallgemeinerungen ebenso wenig. Und daher hatte ich geplant, auch einen Beitrag zum Thema zu schreiben und von meinen eigenen Erfahrungen mit dem Bücherverschenken und von den Erkenntnissen, die ich daraus gewonnen habe, zu berichten.
Eigentlich, denn gestern las ich auf Facebook einen Kommentar von Matthias Brömmelhaus, der sich mit genau diesem Thema beschäftigte. Unter dem Pseudonym Béla Bolten hat er u.a. zwei historische Kriminalromane veröffentlicht und diese im Rahmen einer Gratis-Aktion verschenkt. Mit sehr gutem Erfolg. Sein aktueller Titel Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi), der kürzlich auch verschenkt wurde, ist z.Zt. auf Platz 6 bei den Krimis und auf Platz 17 im Gesamtranking!
Was lag also näher, als den Autor um einen Gastbeitrag zu bitten? Zu meiner Freude hat er zugestimmt, und hier kommt nun der überaus lesenswerte und fundierte Beitrag von Matthias Brömmelhaus:
Gratisaktionen: Nutzen oder Schaden?
Über kaum etwas wird unter verlagsunabhängigen Autoren so intensiv diskutiert wie über den Nutzen oder Schaden von Gratisaktionen bei Amazon. Dabei wird oft vieles durcheinander geworfen, wird gerne wild spekuliert, werden Glaubenssätze verkündet und oftmals wird sogar verurteilt nach dem Motto: Wer seine Bücher verschenkt, schadet allen anderen Autoren. Das stimmt natürlich genauso wie die Aussage, dass ein Verlag, der für seine Toptitel einen Platz auf dem Präsentationstisch der Buchhandlung kauft, ebenfalls allen Autoren schadet, die nicht auf diesem Tisch liegen. Das nennt man Marktgeschehen und Wettbewerb.
Gratisaktionen können für verlagsunabhängige Autorinnen und Autoren ein wichtiger Baustein ihrer Marketingstrategie sein. Das gilt vor allem, wenn mit der Veröffentlichung von E-Books via Amazons KDP ein nennenswertes Einkommen erzielt werden soll. Dann bedarf es einer wohlgeplanten Strategie, bei der Verschenkaktionen nur ein Mosaikstein sind, aber ein durchaus wichtiger. Wer „einfach mal so“ sein Buch verschenkt, wird kaum nachhaltigen Erfolg haben, zumal diese Marketingaktionen für eine Vielzahl, vielleicht sogar für die Mehrzahl der Titel eher kontraproduktiv denn nützlich sein kann.
Der größte Feind des E-Book Autors ist die Unsichtbarkeit. Bücher, von denen ein potentieller Leser nichts weiß, werden auch nicht gekauft. Natürlich kann man sein Buch auf verschiedene Arten sichtbar machen. Meistens werden dazu zuerst Social Media Aktivitäten angeführt. Aber wie viele der Menschen, die man über Facebook, Twitter und Co. erreicht, kaufen das Buch anschließend? Wenige. Sehr wenige sogar. Conversion Rates von unter einem Prozent dürften die traurige Realität sein, d. h. weniger als ein Prozent derjenigen, die einen Facebookbeitrag oder einen Tweet gelesen haben, drücken anschließend den „Kaufen-Button“. In Wirklichkeit bewegt es sich vermutlich im Promillebereich. Ich habe dies über mehrere Monate selbst getestet. Ob ich über mein Buch twitterte oder es in Facebook vorstellte, hatte auf die Verkäufe keinerlei Einfluss - und ich verfüge durchaus über viele Kontakte, allein auf Twitter habe ich über 1000 Follower. Mein Eindruck deckt sich mit den Aussagen vieler Kolleginnen und Kollegen vor allem in den USA, die Social Media im Buchmarketing verlagsunabhängiger Autoren für völlig überschätzt halten.
Viel sinnvoller - und das ist eine Marketing-Binsenweisheit - sind Werbeaktionen am Point of Sale, also am Ort des Verkaufs, in unserem Fall bei Amazon. Nichts anderes ist eine Gratisaktion, womit wir endlich beim Thema sind und zu den Fakten kommen.
Warum soll ich mein Buch verschenken? Ich habe schließlich Monate, vielleicht Jahre daran gearbeitet? Die Antwort ist einfach: Weil es sich - unter bestimmten Bedingungen, auf die ich weiter unten eingehe - anschließend deutlich besser verkauft. Wenn ich alles richtig mache und etwas Glück habe, ist dieser Effekt größer als bei jeder anderen Werbemaßnahme und sogar nachhaltig.
Warum das so ist? Weil Amazons Algorithmus die kostenlosen Downloads mit einer gewissen Gewichtung für das Popularitätsranking anrechnet. Die meisten Analysten des Amazon-Algorithmus gehen von einem Verhältnis von 1/30 aus. Das bedeutet: 30 kostenlose Downloads werden für das Popularitätsranking (und nur für dieses!) wie ein Verkauf gerechnet. 6000 Downloads zählen also wie 200 Verkäufe und die braucht es mindestens, um unter die ersten fünf des popularityranks zu kommen.
Ich bin übrigens überzeugt, dass Amazon das Verhältnis 30:1 nicht aus dem Bauch heraus festgelegt hat. Vermutlich beruht es auf Analysen, die gezeigt haben, dass man bei einer Gratisaktion in etwa diesem Verhältnis Käufer verliert. Anders ausgedrückt: Bei 6000 Downloads hätten 200 Downloader über lange Sicht das Buch auch gekauft, womit auch die Kosten einer Gratisaktion zumindest eingegrenzt wären. Diese Vermutung kann ich durch ein weiteres Indiz aus eigener Erfahrung stützen. Aufgrund einer Gratisaktionen gehen etwa so Leserbewertungen ein, wie bei einem Verkauf im Verhältnis 1:30 zu erwarten wären.
Aber was ist denn dieses geheimnisvolle Popularitätsranking überhaupt? Ich weiß, dass viele Kolleginnen und Kollegen, die ihre E-Books via Amazons KDP vertreiben, davon noch nie gehört haben. Im Prinzip ist es nichts anderes als das Neuheitenregal in der Buchhandlung. Das ist immer meine erste Station, wenn ich einen Buchladen betrete: Erst mal schauen, was es Neues gibt. Und genauso machen es die Kunden bei Amazon. Wenn sie im Kindleshop stöbern, ohne ein bestimmtes Buch zu suchen, schauen sie sich nicht nur die Liste der am meisten verkauften E-Books an. Viele klicken in einer der Bestsellerlisten (es gibt ja für jede Kategorie wie Krimis, Liebesromane usw. eine) auch den Reiter „Neuheiten“ an, der nach Beliebtheit der Titel sortiert ist. Da haben wir also unser Popularitätsranking. Die Verkäufe schnellen auf jeden Fall sofort nach oben, wenn man dort auftaucht. Und durch diese nachfolgenden Verkäufe hält man sich im Ranking. Maximal übrigens 30 Tage, wenn man es in dieser Zeit nicht schafft, auch im Verkaufsranking sichtbar zu werden, geht es danach sofort bergab.
An dieser Stelle muss noch mit einem unausrottbaren Mythos aufgeräumt werden. Immer noch wird hier und da behauptet, die Platzierung im Ranking der kostenlosen Bücher sei für den Erfolg einer Aktion von Bedeutung. Das ist nur insofern richtig, als man mehr Bücher verschenkt, je höher man platziert ist. Ansonsten hat es keinerlei Einfluss auf irgendeine Rangplatzierung nach Ende der Aktion. Vor allem beim Verkaufsrang reiht man sich wieder brav ganz hinten ein.
Bleibt zum Schluss die Frage, für wen sich Gratisaktionen lohnen, denn sie sind, wie eingangs schon gesagt, keineswegs für alle Autorinnen und Autoren ein probates Mittel.
Als Allererstes: Keine Gratisaktion macht aus einem schlechten Buch einen Bestseller. Spätestens die ersten Käufer werden mangelnde Qualität abstrafen. Das gilt für ein fehlendes Korrektorat genauso wie für sprachliche und inhaltliche Mängel. Auch wenn ein Buch nichts kostet, sollte man die Leserinnen und Lesern nicht mit eklatanten Mängeln nerven. Schließlich investieren sie kostbare Lesezeit.
Gratisaktionen haben nur Sinn, wenn das Buch auch für einen größeren Markt geschrieben wurde, im Prinzip also für alles in den klassischen Unterhaltungsgenres Krimis, Thriller, Chicklit, Fantasy und, und, und.
Bücher für kleine Nischenmärkte werden durch Gratisaktionen keinen nachhaltigen Erfolg erzielen, hier könnte es im Gegenteil zu einer Kannibalisierung führen. Wenn die vorhin angeführten 200 Verkäufe, die man durch eine Gratisaktion verliert, realistisch betrachtet bereits einen Großteil der potentiellen Käufer eines Buches ausmachen, lässt man lieber die Finger davon.
Die wenigsten Titel verlagsunabhängiger Autoren werden auch nur annähernd 200 Mal verkauft. Jeder Autor sollte sich selbstkritisch fragen, ob sein Buch wirklich massenmarkttauglich ist. Das hat nichts mit Qualität zu tun haben, die großartigsten Werke können für eine kleine Zielgruppe geschrieben sein. Aber auch in den Mainstreamgenres sollte man sich nicht von wohlmeinenden Kommentaren aus dem Freundeskreis („Das Buch wird der Renner!“) blenden lassen.
Weil nur die Gesamtzahl der Downloads Auswirkungen auf das Popularitätranking hat, müssen Gratisaktionen lang genug sein. Es hat überhaupt keinen Sinn, ein Buch für einen einzigen Tag gratis anzubieten ! Immer wieder höre ich von Kolleginnen und Kollegen: Ich habe mein Buch jetzt für einen Tag gratis angeboten. Es wurde 2.000 Mal heruntergeladen und stand auf Platz 1 der Bestenliste der kostenlosen E-Books. Verkauft habe ich nach der Aktion aber gar nichts. Natürlich nicht! 2.000 Downloads entsprechen in Amazons Algorithmus 67 Verkäufen, das reicht nicht für einen der vorderen Plätze im Popularitätsranking.
Gratisaktionen sollte man den eigenen Fans gegenüber fair kommunizieren. Ich weiß, dass es Leser gibt, die jedes meiner Bücher sofort nach Erscheinen kaufen. Es wäre gegenüber dieser Fanbase absolut illoyal, wenn ich sie zunächst das Buch kostenpflichtig erwerben ließe (nach dem Motto: So habe ich schon mal 60 oder 70 Verkäufe im Sack), um es dann gratis anzubieten. Also kommuniziere ich kurz vor Erscheinen eines Titels in meinem Newsletter den Termin einer eventuellen Verschenkaktion. Genauso mache ich es übrigens auch bei Sonderpreisaktionen, die allerdings ein anderes Thema sind. Ein wirklicher Sogeffekt wie bei einer Gratisaktion entsteht dadurch meiner Erfahrung nach nicht. Ich glaube sogar, dass man hier am Ende mehr Geld investiert, ohne nachhaltigen Erfolg zu erzielen.
Zum Schluss noch ein Ausblick, denn vielleicht gibt Amazon uns bald ein weiteres, möglicherweise sogar besseres Werbeinstrument in die Hand und bietet den „Kindle Deal des Tages“ auch für deutsche Titel an. Dafür kommen wegen der Buchpreisbindung zwar nur Titel im Select-Programm infrage, die Reichweite aber ist gigantisch und den Effekt können wir immer häufiger beobachten, wenn plötzlich englischsprachige Bücher in den deutschen TOP-10 auftauchen.
Wer mehr über mich und meine Kriminalromane, die ich unter dem Pseudonym Béla Bolten veröffentliche, wissen möchte, finde weitere Informationen auf meiner Autorenhomepage: http://belabolten.wordpress.com/
©Matthias Brömmelhaus - Feb. 2013
Kommentare
Allerdings sehe ich auch in den beliebten 99 Cent-Aktionen eine Problematik für die Autoren. Zwar puschen sie gewisse Titel, nach einer Preisanpassung stürzen diese dann sehr oft im Ranking ab. Hier besteht in meinen Augen tatsächlich die Gefahr, dass man sich auf Dauer als Billig-Autor etabliert, nur um seinen Verkaufsrang halten zu können.