"Mach mir den Bonus-Stuffer, Baby" – KU-Betrug: 2 Jahre danach

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Zu Beginn des Jahres 2016 wurde immer deutlicher, dass Amazons Kindle Ausleihe von Betrügern als lukratives Geschäftsmodell entdeckt worden war.

Beispiel-Cover ©Myra Çakan
Ermöglicht hatte dies ein neues Berechnungsmodell von Amazon, bei dem die Autoren nach (gelesenen) Seiten bezahlt werden und nicht mehr pro Leihvorgang.
Nur müssen diese Seiten nicht wirklich gelesen werden. Folgt der Leser z. B. einem Link, landet er ungewollt auf den letzten Seiten des eBooks, das mehrere 1.000 Seiten „dick“ sein kann, und dem fleißigen Autor werden auf einen Schlag sechs Euro pro ausgeliehenem und »gelesenem« Buch gezahlt (Grundlage dieser Berechnung ist ein 2000-Seiten-Buch und eine Tantieme von derzeit 0,003 Euro pro Seite. Im Vergleich: Der Autor eines 400-Seiten-Romans bekommt 1,20 Euro).

Über die anderen Tricks werde ich noch berichten. Nur so viel: Die o. g. Vorgehensweise wird immer noch angewandt und im vergangenen Jahr hat eine Erotik-Autorin, nennen wir sie Frau Maienzeit, mit dieser Masche Monat für Monat mehrere 1.000 Euro abgeräumt. Zusätzlich wird dieser Betrug noch mit dem sogenannten All-Star-Bonus versüßt, der auch schon mal mehrere 1.000 Euro betragen kann.

Zurück zu 2016. Von den Betrügereien betroffen waren primär folgende Kategorien: Ratgeber (hier vorzugsweise Kochbücher) und ganz besonders Liebes- und Erotikromane, um die es auch in diesem Beitrag gehen wird.
Im Frühjahr 2016 berichteten mehrere Autoren aus den USA auf ihren Blogs von den Betrügereien, und auch die Self-Publisher-Bibel griff die Vorfälle auf. Mehrere Selfpublisher und Leser taten sich zusammen und versuchten, dem Spuk um die Sprungmarken- und Bonus-Bücher ein Ende zu bereiten.

Beispiel-Cover ©Myra Çakan

SchreibFair, ein Facebook-Blog, präsentierte die haarsträubendsten Beispiele und diese wurden gesammelt und an KDP in Kapstadt gemeldet. Oft dauerte es nur wenige Tage, bis diese eBooks gelöscht waren – doch die Flut neuer Uploads wurde bald unüberschaubar. Im Laufe des Sommers zeigte sich, dass auch deutsche Selfpublisher auf diesen Zug aufgesprungen waren und die „Fake-Bücher“ schossen wie Pilze nach einem warmen Sommerregen.

Es sollte noch erwähnt werden, dass solche Tricks eindeutig gegen die Veröffentlichungsrichtlinien von Kindle Direct Publishing verstoßen. 
Wer nun denkt, dass die Uploader dieser eBooks dauerhaft vonseiten KDP gesperrt wurden, irrt sich.

Da nur eine bestimmte Summe im Kindle-Unlimited-Topf für alle Autoren zur Verfügung steht – und monatlich nur 150 All-Star-Boni ausgezahlt werden – muss man nicht lange suchen, um zu erkennen, wem hier geschadet wurde und immer noch geschadet wird: den ehrlichen Autoren, denen Monat für Monat weniger pro gelesener Seite ausgezahlt wird, und den Lesern, denen immer wieder die gleichen Geschichten in unterschiedlichen Zusammenstellungen auf die eReader gespielt werden.

Beispiel-Cover ©Myra Çakan
2017 und auch 2018? 

Leser und Autoren scheinen zu resignieren, KDP auch? Oder wie ist es zu erklären, dass sich mittlerweile nicht mehr nur die die üblichen Verdächtigen mit ihren »Bonusbüchern« auf den Produktseiten des Buchhandelsgiganten tummeln, sondern immer neue Trickser nachrücken? 
Hat Amazon wirklich keine technischen Möglichkeiten, um diese 1000-Seiten-eBooks mit den immer wieder gleichen Inhalten zu filtern und sie dann zu löschen? Doch, haben sie, wie ich aus zuverlässiger Quelle erfahren habe. Nur warum unternehmen sie dann nichts?

»Kundenzufriedenheit« wird bei Amazon ganz großgeschrieben. Die Leser sollen eine positive Leseerfahrung haben. Aber wo bleibt diese positive Erfahrung, wenn es sich um eindeutige Mogelpackungen handelt, die außerdem noch voller grammatikalischer Fehler sind? Über die inhaltliche Qualität dieser Geschichten sage ich bewusst nichts, sie ist hier nicht das Thema und in den ausführlichen Leseproben kann sich jeder sein eigenes Bild machen.

Bleibt also nur ihr, die Leserinnen und Leser! 

Ihr habt es in der Hand, diesen Betrügern das Handwerk zu legen. Ihr könnt verhindern, dass eure Lieblingsautoren ans Aufgeben denken, weil sie jeden Monat weniger Einkommen haben. Und glaubt bitte nicht, dass es sich um kleine Beträge handelt. Viele bekannte Romance-Autorinnen haben mir gestanden,  dass sie im vergangenen Jahr im Durchschnitt 50 % weniger mit ihren Romanen verdient haben. 

Und um es ganz deutlich zu sagen: Es geht hier nicht um unliebsame Konkurrenz; es geht um Leute, die das System ausnutzen, um sich zu bereichern, die anderen Autoren schaden und ihre Leser für ihre miesen Tricks benutzen – und die ganz eindeutig gegen die Veröffentlichungsrichtlinien von Kindle Direct Publishing verstoßen

Was könnt ihr also tun und woran erkennt ihr die Betrüger? 

  1. Schaut euch die folgenden Bespiele genau an  – die Erklärung, warum diese eBooks gegen die Richtlinien verstoßen, findet ihr bei den einzelnen Bildern. Aus rechtlichen Gründen handelt es sich bei den Beispielen nicht um echte Titel und echte Autoren. Ich denke aber, wer die Augen aufmacht, findet die „Vorbilder“ in den Top 100 und in der Kategorie „Liebesromane“ ohne Probleme. 
  2. Leiht diese Bücher nicht aus. Jeder Leihvorgang, selbst wenn ihr das Buch ungelesen zurückgebt, lässt es im Ranking steigen und nimmt wiederum euren Lieblingsautoren die Sichtbarkeit im Kindle-Store. 
  3. Likt und teilt die Fanseiten diese Fake-Autoren nicht auf Facebook und unterstützt sie auch sonst nicht. 
Hier seht ihr zwei typische Beispiele für das „Bonus Stuffing“ (auch Book Stuffing genannt, wörtlich übersetzt „Ausstopfen von Büchern“). Wie ihr anhand des Inhaltsverzeichnisses sehen könnt, wiederholen sich die Geschichten. 

Das ist nicht gestattet. Sammelbände sind erlaubt, sagt KDP, aber es muss in der Kurzbeschreibung und auf dem Cover deutlich erkennbar sein, was den Leser erwartet. Dies ist hier nicht der Fall. Die Bücher einiger dieser Autoren sind in der Regel so umfangreich, dass man die Cover-Story bereits in der Leseprobe lesen kann. Im Klartext: Der Roman, den ihr euch auf den Reader laden würdet, ist so kurz, dass er nur 10 % des gesamten eBooks ausmacht!

Beispiel-Ansicht "Blick ins Buch" (Vorlage Amazon.de)

Beispiel-Ansicht "Blick ins Buch" (Vorlage Amazon.de)

Doch damit nicht genug. Die Autorin, die mich zu diesen Beispielen inspirierte, hat noch einen besonderen Trick drauf – den Seitenverschwinde-Trick. Wenn sie ein eBook neu hochlädt, steht dort die sagenhafte Seitenzahl von 1.100, oder noch mehr. Dann wird schnell ein Taschenbuch gebaut und hochgeladen, natürlich ohne die 90 % an Füllmaterial und schon sieht auf den ersten Blick alles ganz normal aus. Und wenn ihr dann dieses wirklich umfangreiche eBook durchklickt, um etwas zu finden, das ihr vielleicht noch nicht kennt, klingelt bei dem Bonus-Stuffer die Kasse.

Beispiel-Ansicht "Produktseite" (Vorlage Amazon.de)
Beispiel-Ansicht "Produktseite" (Vorlage Amazon.de)

Natürlich dauert es seine Zeit, bis man über 1.000 Seiten Text zusammengeschrieben hat bzw. hat zusammenschreiben lassen, denn die liebe „Chantal“ ist in Wahrheit ein Kerl, der Ghostwriter für die Geschichten bezahlt. Obacht! Ghostwriting ist nicht verboten. Es geht hier immer noch um den Verstoß gegen die Richtlinien für Autoren, die ihre Bücher über Amazon verkaufen wollen.

Zurück zu den Bonus-Stuffern. Hier gibt es nämlich noch mehr Tricks.
Besonders gerne wird Story-Tausch gemacht – manchmal werden auch komplette Bücher einfach unter einem anderen Namen noch einmal veröffentlicht. 
Nehmen wir als Beispiel die gute Cathy B. Trüger. Sie schreibt zwar brav in der Produkt-Beschreibung, dass Bonus-Bücher enthalten sind. Aber sie vergisst zu erwähnen, dass die Cover-Story nur ungefähr 20 % des gesamten eBooks ausmacht und sie hat vergessen zu erwähnen, dass gar nicht alle Geschichten von ihr selbst sind. Ups.

Beispiel-Ansicht "Produktseite" (Vorlage Amazon.de)

Beispiel-Ansicht "Blick ins Buch" (Vorlage Amazon.de)


Doch auch die liebe Lucy, von der die eine Story in Cathys Buch stammt, trickst. Nicht nur, dass sie am Storytausch beteiligt ist, nein, sie schaltet geschönte Anzeigen auf Facebook. Klickt man nämlich auf den Link, wird man zu Amazon geleitet und sieht, dass der heiße Seal lauter 1-Sterne-Bewertungen von enttäuschten Leserinnen bekommen hat, die auch bei Lucy einen umfangreichen Roman erwartet hatten und stattdessen nur eine Story plus Bonus XXL bekommen haben.

Beispiel-Ansicht "Anzeige" (Vorlage Facebook)

So, nun kennt ihr einige Tricks dieser Bonus-Stuffer. Wer von euch gut Englisch kann, sollte sich dieses Video ansehen. Die Kommentare unter dem Video stammen übrigens zum Großteil von diesen Betrügern selbst, die auf Amazon.com genauso ihr Unwesen treiben – nur mit dem Unterschied, dass sie dort um ein Vielfaches mehr für ihre eBooks einstreichen, nämlich – haltet euch fest! – bis zu 50.000 Dollar im Monat! Überlegt euch daher gut, ob diese Leute wirklich eure Unterstützung verdienen.

Fotos: Pixabay, Depositphoto (ID: 51535333) und Pexels.

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