Self Publisher wollen Schadenersatz: Was kommt auf die Nutzer zu?

Gestern hatte ich die Möglichkeit, ein kurzes Interview mit dem Rechtsanwalt Tilman Winterling zu führen. Er vertritt die 36 Self Publisher im Zusammenhang mit dem Takedown der illegalen Plattform lul.to.

Hallo Tilman, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst, um mir einige Fragen zu beantworten. Kannst Du Dich bitte kurz vorstellen, in welcher Kanzlei arbeitest Du, und was ist Dein Spezialgebiet?

TW: Hallo! Ich arbeite als Rechtsanwalt in der Hamburger Medienrechtskanzlei Gutsch & Schlegel. Mein Fokus in der Beratung liegt auf Autoren, Verlagen, Fotografen und anderen Kreativen, das können dabei Fragen im klassischen Urheberrecht, als auch allen angrenzenden Rechtsgebieten sein, gerichtlich und außergerichtlich.


Wie kam es dazu, dass Du die 36 Self-Publisher anwaltlich vertrittst?

TW: Eine der Autorinnen rief mich an und berichtete davon, dass sich eine Gruppe versammelt habe, die ein gemeinsames Vorgehen gegen die Betreiber und Nutzer von lul.to plant. Für mich war es dabei keine Frage, dass ich hier unterstützen möchte. Als normaler Konsument macht man sich keine Vorstellung davon, welche Schäden Urhebern durch Piraterie entstehen. In unserer Praxis ist uns das aber wohl bewusst. Die von uns vertretenen Mandanten kämpfen gegen die Verbreitung von Bootlegs, gefälschtem Merch oder Contentklau im Internet und damit nicht nur gegen die finanziellen Einbußen, sondern auch dass ihre Marke durch minderwertige Produkte oder Verschleuderung unter dem Marktpreis an Wert verliert.

Strafanzeige wurde vergangene Woche gestellt.
Wie wird das weitere Verfahren sein? Werden die Autoren die lul.to-Betreiber verklagen?

TW: Natürlich wollen wir uns im Laufe des Verfahrens nicht in die Karten schauen lassen, aber eine Klage gegen die Betreiber selbst ist höchstwahrscheinlich. Bei den einzelnen Nutzern werden wir jeden Fall ansehen und individuell entscheiden.



foto @pixabay.com
Es wurden große Datenmengen, im Zusammenhang mit dem lul.to-Takedown gefunden. Es wird davon ausgegangen, dass man dort auch Nutzerdaten findet. Was kann auf diese Nutzer an Kosten zukommen, wenn sich die Autoren entschließen, gegen Einzelpersonen vorzugehen?

TW: Abgesehen von einer etwaigen Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft kann jeder Nutzer, dem der Kauf bei lul.to nachgewiesen werden kann, vom betroffenen Autor bzw. den entsprechenden Autoren in die Haftung genommen werden. Aufgrund des Aufbaus, der Preisstruktur und der Hinweise auf lul.to selbst muss jedem Nutzer bewusst gewesen sein, dass es sich um eine Piratenseite und keinen legalen Shop handelt.

Die zu erwartenden Kosten sind dann die Abmahnkosten, sowie Ersatz des dem einzelnen Autor entstandenen Schadens. Das mag bei einzelnen Titel nicht viel sein, in der Summe aber wieder gewichtig werden. Wer bei lul.to Titel für 15 Cent das Stück gekauft hat, aber das geladene Guthaben aufbrauchen wollte, wird entsprechend Bücher gezogen haben. Das ist ja ein Rechenexempel. Gerade wenn man wieder eine Gutscheinkarte für 50 € gekauft hatte …

Wie muss ich mir das Vorgehen vorstellen, wenn ein Nutzer mehrere E-Books von unterschiedlichen Autoren illegal geladen hat. Wie ich mir habe sage lassen, schreiben mehrere der 36 Autoren, die du vertrittst, im Romance-Genre – deren Bücher sind nicht nur bei zahlenden Lesern beliebt.
Ändert sich dann etwas an den Kosten, die auf diesen Nutzer zukommen, wenn z.B. 10 oder 15 Autoren betroffen sind?

TW: „Meine“ 36 Autoren kommen zusammen auf über 600 Titel, im hypothetischen Fall, dass ein Nutzer diese Titel alle „erworben“ hat und einem Durchschnitts Gewinn von 2,50 € pro E-Book, wäre der Schaden, den dieser Nutzern allein den Autoren zu ersetzen hat, bei 1.500 €, dazu die Abmahnkosten von je knapp 150 €, sind zusammen 5.400 €. Sprich insgesamt 6.900 €: Kindle Unlimited oder andere Angebote wären ihn da günstiger gekommen.

Bei 15 Romance-Autoren, die ja recht fleißige Arbeiter sind, kann man vermutlich von mindestens 10 Veröffentlichungen pro Autor ausgehen. Das könnte dann z.B. so aussehen: Schadenersatz 375 € plus Abmahnkosten 2.250 €. Bedenkt man, dass die meisten Self-Publisher, die in diesem Genre schreiben, ihre Romane zum Verkaufsstart für mehrere Tage oder sogar Wochen für 99 Cent anbieten, hätte man die kompletten E-Books für 148,50 legal erwerben könnten.

Etliche Self-Publisher haben von steigenden Verkaufszahlen berichtet, die sie seit einigen Wochen beobachtet haben. Auf diversen Piratenseiten fehlt der Nachschub an neuen Titeln. Das lässt darauf schließen, dass auch Massenuploader zu den Kunden von lul.to gehört haben.

Was kommt an Kosten auf Nutzer zu, die die E-Books auf andere Plattformen verteilt haben? 


TW: Dies ist wie bei P2P-Netzwerken. Wer verteilt hat, muss einen höheren Schadensersatz zahlen. Pro Titel dürfte der Schadensersatz dann nochmal um eine kleine dreistellige Zahl höher ausfallen.
 

Das lass ich jetzt einfach mal so unkommentiert stehen. Die Zahlen sprechen für sich.
Vielen Dank für das Gespräch.


Weitere Beiträge zum Thema: 
Die Antwort der Self Publisher zum lul.to-Takedown
Lul.to – nach dem Takedown ertönt das Pfeifen im dunklen Wald 
Zur Webseite von Rechtsanwalt Tilman Winterling

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